Gaspreise Spezial

Der europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 21.03.2013 zur Verwendung von Preiserhöhungsklauseln in Gassonderverträgen für Verbraucher entschieden!

Zitat aus der Pressemitteilung: 

„Eine Standardklausel in Verbraucherverträgen unterliegt auch dann einer Missbrauchskontrolle, wenn sie nur eine für eine andere Vertragskategorie geltende nationale Regelung aufgreift

Es ist Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob eine solche Klausel, die dem Gasversorger eine einseitige Preisanpassung erlaubt, den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt“

Luxemburg – Bitburg, den 16.03.2013

Wichige Verbraucherentscheidung des EuGH am 21.03.2013 für deutsche Gaskunden erwartet:

Millionen deutsche Gaskunden können, abhängig vom Ausgang des Verfahrens C-92/11 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, auf eine Rückzahlung wegen unzulässiger Preiserhöhungen hoffen. Das ergibt sich aus den Schlussanträgen der Generalanwältin.

 

Schließt sich das Gericht dem Schlussantrag der Generalanwältin Verica Trstenjak an, kann dies weitreichende Folgen haben.
Die vom RWE-Konzern bei einem Teil der Kunden verwendeten Sonderverträge beinhalten nach dem vorliegenden Gutachten im o.g. Verfahren Preisanpassungsklauseln, die angeblich mit EU-Recht nicht vereinbar seien.
Auch im Bereich der Gasversorgung erhalten Haushaltskunden Sonderverträge. In diesen Verträgen hatte der Lieferant die Möglichkeit den Preis einseitig zu erhöhen. Er musste die Kunden lediglich benachrichtigen und wies auf die Möglichkeit der Kündigung hin.
Nach Ansicht einer Gutachterin verstößt dies gegen EU-Recht, das mehr Transparenz verlange.
Den Kunden sei nicht klar gewesen, unter welchen Umständen die Preise erhöht werden konnten.
Da sich solche Preisanpassungsklauseln in ähnlicher Form auch bei Stadtwerken und anderen Versorgern finden lassen, hat die Entscheidung auch für Kunden anderer Versorger Relevanz.
Der EuGH wird am 21.03.2013 eine Entscheidung verkünden.
Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Hanno Blatzheim

Energierecht / Energiepreise                         B/t, Bitburg, den 01.05.2008

+++ Gaspreise Spezial +++ auf Stromkosten.de

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.06.2007

Unter dem Aktenzeichen VIII ZR 36/06 verkündete der Bundesgerichtshof am 13.06.2007 folgende Entscheidung zur gerichtlichen Preiskontrolle von Gaspreisen und Gaspreiserhöhungen:

 

 

Zitat der Leitsätze:

a)  Einseitige Tariferhöhungen eines Gasversorgers gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVB-GasV unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.

 b)  Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB wird durch den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4, § 33 GWB nicht verdrängt.
 
c)  Die auf einer vorgelagerten Lieferstufe praktizierte Bindung des Erdgaspreises an den Preis für leichtes Heizöl (sog. Anlegbarkeitsprinzip) ist nicht Gegenstand der Billigkeitskontrolle einer einseitigen Erhöhung des Gaspreises, den ein Gasversorger seinen Tarifkunden in Rechnung stellt.
 
d)  Eine Tariferhöhung, mit der lediglich gestiegene Bezugskosten des Gasversorgers an die Tarifkunden weitergegeben werden, entspricht grundsätzlich der Billigkeit; sie kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg der Bezugskosten durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.
 
e)  Eine einseitige Erhöhung des Gastarifs kann unbillig sein, wenn und soweit bereits der vor der Erhöhung geltende Tarif unbillig überhöht war. Das setzt voraus, dass auch dieser Tarif der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. Daran fehlt es, wenn der Tarif zwischen dem Versorger und dem Tarifkunden vereinbart ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. März 2007 – VIII ZR 144/06, z. V. in BGHZ bestimmt).
 
f)  Ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif wird zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden.

 

Was bedeutet das vorgenannte Urteil des Bundesgerichtshofs für Gasverbraucher?

 

1. Der Bundesgerichtshof hat mit der Entscheidung vom 13.06.2007 erneut bestätigt, dass Verbraucher sich gegen einseitige Gaspreiserhöhungen zur Wehr setzen können.

2. Der Bundesgerichtshof hat des weiteren festgestellt, dass weder die Allgemeinen Versorgungsbedingungen für die Gasversorgung noch die kartellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einer solchen gerichtlichen Preiskontrolle entgegenstehen.

3. Verbraucher, die sich gegen eine unbillige Preiserhöhung wehren möchten, müssen dies rechtzeitig tun, um ihre Rechte nicht zu verlieren.

4. Verbraucher, die sich gegen eine frühere Preiserhöhung nicht zur Wehr gesetzt haben, können dies nach einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr nachholen.

5. Ein vom Gasversorger einseitig erhöhter Preis wird dann zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde ohne Beanstandung der Preiserhöhung weiterhin Gas bezieht.

Details zum Urteil sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden, vielmehr soll hier nur dargestellt werden, welche Handlungen der Gasverbraucher vornehmen muss, um keinen weiteren Rechtsverlust nach der Rechtsprechung des BGH zu erleiden.

Nach Ansicht des Verfassers stellt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.06.2007 eine regelrechte Aufforderung an den Energieverbraucher dar, sich gegen Preiserhöhungen des örtlichen Gasversorgers stets und rechtzeitig zur Wehr zu setzen.

Tut der Verbraucher dies nicht, gehen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs alle Überprüfungsansprüche endgültig verloren.

Energieversorger sollten sich daher auf eine Flut von Widersprüchen gegen Preiserhöhungen einstellen, auch wenn diese zunächst nur der Rechtserhaltung dienen.

Fragen und Antworten zum Thema Gaspreise:

Was ist bei Zugang der Jahresrechnung 2007 zu tun?

Antwort: Der Verbraucher sollte zunächst prüfen, ob in den letzten 12 Monaten vor Erhalt der Jahresrechnung 2007 Gaspreiserhöhungen stattgefunden haben. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs fordert den Energieverbraucher gemäß Buchstabe e) und f) der Leitsätze sprichwörtlich auf, die jetzt ins Haus stehende Jahresabrechnung für das Jahr 2007 genauestens zu überprüfen um festzustellen, ob es Preiserhöhungen in 2007 gegeben hat. Demnach hat der Gasverbraucher jetzt die letzte Möglichkeit, vorangegangene Preiserhöhungen zu beanstanden. Dies tut er am besten mittels eingeschriebenem Brief an sein Gasversorgungsunternehmen. Einen Musterbrief dazu finden Sie demnächst hier.

Wie kann sich der Energieverbraucher gegen zu hohe Abrechnungen wehren?

Antwort: Unter Hinweis auf die vorgenannte Antwort sind zunächst Preiserhöhungen im Bezugsjahr unverzüglich zu beanstanden. Als angemessene Frist gilt unter Juristen in der Regel eine Zeitspanne von 6 bis 12 Werktagen. Länger sollte nicht gewartet werden.

Nun ist zu prüfen, ob die Abrechnung mit einer Nachforderung abschließt. Ist dies der Fall, sollte der Verbraucher ermitteln, ob die Nachforderung auf Preiserhöhungen beruht.

Ist dies der Fall, so bietet sich an, eine zuvor gegebene Einzugsermächtigung zu widerrufen und den Betrag der Preiserhöhung zurück zu behalten, bis die rechtmäßigkeit der Erhöhung nachgewiesen oder gerichtlich festgestellt wurde.

Dies wiederum sollte mittels eingeschriebenem Brief und dem ausdrücklichen Hinweis erfolgen, dass die entsprechende Preiserhöhung nicht akzeptiert wird, der daraus resultierende Betrag einbehalten wird und soweit Beträge bereits überwiesen wurden, die auf die Preiserhöhung zurückzuführen sind, die Rückzahlung dieses Betrages verlangt wird.

Tut der Verbraucher dies nicht, verliert er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle seine diesbezüglichen Überprüfungsrechte im Rahmen einer gerichtlichen Preiskontrolle.

Keinesfalls darf er den Rechnungsbetrag unbeanstandet ausgleichen und weiter Gas beziehen.

Wie muss sich der Energieverbraucher verhalten, wenn eine oder mehrere Gaspreiserhöhungen Gegenstand der Schlussrechnung des Jahres 2007 sind?

Antwort: Gaspreiserhöhungen werden regelmäßig in den lokalen Zeitungen angekündigt.

Ist dies der Fall, so empfiehlt es sich auch hier, mittels eingeschriebenem Brief der Gaspreiserhöhung zu widersprechen.

Sofern entsprechend der Erhöhung Anpassungen der Vorauszahlungen vorgenommen werden, gibt es hier zwei Vorgehensweisen:

Vorgehensweise 1:

Einer Erhöhung der Vorauszahlung wird nicht zugestimmt unter Hinweis auf die Preisbeanstandung

Vorgehensweise 2:

Die Zahlungen werden fortgesetzt mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung steht.

Zugleich empfiehlt sich, darauf hinzuweisen, dass die Zahlung nur unter dem Druck erfolgt, dass andernfalls eine Versorgungseinstellung droht.

Risikohinweis: Die vorgenannten Empfehlungen erfolgen unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass es nur dann Sinn macht, Kürzungen des Gaspreises vorzunehmen, wenn die Preiserhöhung tatsächlich unbillig ist.Daran kann es nach der BGH-Rechtsprechung dann fehlen, wenn lediglich Bezugskosten des Vorlieferanten weitergegeben werden, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Preiserhöhung nicht durch andere Bereiche aufgefangen werden konnte. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass jeder Prozess mit einem Prozessrisiko verbunden ist. Das Kostenrisiko kann dadurch ausgeschlossen werden, dass eine Rechtsschutzversicherung besteht, die hierfür Deckung leistet. Vor Einlegung gerichtlicher Schritte empfiehlt es sich in jedem Fall, einen fachkundigen Rechtsanwalt aufzusuchen, um etwaige Risiken zu erörtern. Auch Verbraucherzentralen geben teilweise Auskünfte zu diesem Thema.

Kartellrecht, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass neben der gerichtlichen Überprüfung vor den Zivilgerichten gemäß § 315 Abs. 3 BGB auch die kartellrechtliche Möglichkeit eines deliktischen Anspruchs als sogenannter Beseitigungs-/Unterlassungs-/ Schadenersatzanspruchs gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 2, 33 GWB bestehen kann. Dieser Anspruch betrifft jedoch Unternehmer und keine Endverbraucher.

Die auf Stromkosten.de unter folgendem Link – http://www.stromkosten.de/gas.php?phpurl=Gaspreise.php – befindliche Gaspreisanalyse von 739 Grundversorgern verdeutlicht, dass Preisunterschiede von bis zu 50 % auf dem Gasmarkt bestehen.

Hierzu verweist Stromkosten.de auf einen Beschluss des Bundeskartellamts vom 25.10.1995, Az. – B 8-40200-T-130/95 – Den nichtamtlichen Leitsatz aus der Zeitschrift „Recht der Energiewirtschaft“, 1996 auf Seite 79 zitieren wir wie folgt:

„Ergibt ein Gesamtvergleich eines missbrauchsverdächtigen Gasversorgungsunternehmens mit einem gleichartigen Versorgungsunternehmen im Rahmen einer Missbrauchsverfügung nach § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB, dass die Preise für Tarif- und Heizgassonderkunden durchweg um mehr als 10 % über denen des Vergleichsunternehmens liegen, bedarf es keiner weiteren Vergleichsberechnung oder Vergleich mit Preisen anderer gleichartiger Versorgungsunternehmen.“

Auch eine vorherige Genehmigung eines Gastarifs ersetzt und beschränkt nicht die richterliche Überprüfung!

Daraus wird deutlich, dass in der Vergangenheit Preisunterschiede von nur 10 % als missbrauchsverdächtig von der zuständigen Kartellbehörde angesehen wurden.

Die mehr als 50 %igen Preisunterschiede in Deutschland rechtfertigen somit durchaus den Verdacht eines Preismissbrauchs.

Insoweit kommt neben der zivilgerichtlichen Preiskontrolle auch ein Missbrauchsverfahren gegen den jeweiligen Gasversorger in Betracht. Adressat eines solchen Verfahrens sind jedoch Unternehmen, nicht Verbraucher. Die Preisunterschiede haben jedoch indizielle Wirkung und sind auch für den privaten Verbraucher ein wichtiges Indiz, ob die Gastarife unbillig überhöht sind. Auch aus diesem Gesichtspunkt empfiehlt es sich, dass Verbraucher die jeweiligen Preiserhöhungen auf Stromkosten.de vergleichen und den Gaspreis bei regional starken Unterschieden beanstanden.

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Über Rechtsanwalt Hanno Blatzheim

Rechtsanwalt Hanno Blatzheim ist seit 1997 (Magazin Focus) auf dem Spezialgebiet des Energierechts tätig. Er hat die Liberalisierung des Energiemarktes seit April 1998 von Beginn an begleitet und schon 1997 im Nachrichtenmagazin Focus und 1998 und 1999 im ZDF-Magazin Frontal auf erhebliche Missstände bei Stromtarifen und Stromabrechnungen hingewiesen. Laut ZDF-Magazin Frontal ist er einer der Experten in Deutschland. Er berät Energieverbraucher und Unternehmen in Deutschland und Europa in allen rechtlichen Fragen der Energieversorgung. Für Stromkosten. de und Energiekosten.de schreibt er exklusiv über aktuelle Themen und berichtet aus der anwaltlichen Praxis.