Mit der Energierechtsnovelle von 1998 wurde sowohl der Strom- als auch der Gasmarkt liberalisiert. Damit wurde Haushaltskunden die Möglichkeit eines Gasanbieterwechsels in Aussicht gestellt. Doch es sollte noch über acht Jahre dauern, bis ein solcher Anbieterwechsel tatsächlich vollzogen werden konnte
Im Gegensatz zum Strommarkt meldeten sich beim Gasmarkt zum Auftakt der Liberalisierung keine neuen Wettbewerber – zu kompliziert erschien das Geflecht aus langfristigen Lieferverträgen, abgeschotteten Marktgebieten und Quersubventionen innerhalb der Energiekonzerne. Eine Regulierungsbehörde, die für einen diskriminierungsfreien Netzzugang hätte sorgen können, wurde ebenfalls nicht geschaffen. Es sollte noch bis zum Juli des Jahres 2005 dauern, bis die Bundesnetzagentur die Aufsicht über die Gasnetze übertragen wurde.
Die schleppende Gasmarktliberalisierung
Im Sommer 2000 drohte der Bundesrepublik wegen der schleppenden Umsetzung der Richtlinien zur Marktöffnung eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof. Diese wurde durch die Verbändevereinbarung (VV) zur Liberalisierung des Gasmarktes abgewendet, die eine Selbstverpflichtung zur Öffnung der Netze enthielt. Doch eine tatsächliche Öffnung des Marktes trat nicht ein.
Im Mai 2003 wurde die so genannte Gasnovelle verabschiedet, die verspätet die Vorgaben der europäischen Gas-Richtlinie umsetzen sollte. Versorgungsmonopole wurden für unzulässig erklärt, wobei, ebenso wie beim Strommarkt, das „natürliche Monopol“ der Versorgungsnetze anerkannt wurde – im Gegensatz zu den Telekommunikationsnetzen sind mehrere parallele Netze bei den Energieträgern Strom und Gas nicht rentabel. Um einen freien Wettbewerb zu erreichen, soll daher allen Marktteilnehmern der gleiche Zugang zu dem einen Netz gewährt werden. Die Realität bleibt bis heute weit hinter diesem Anspruch zurück.
Die überraschende Wende
Im Februar 2006 ging plötzlich alles ganz schnell – das Bundeskartellamt kündigte an, dass private Gaskunden ab dem 1. April 2006 den Gasversorger wechseln können. Die Marktöffnung zum 1. April basierte auf einer Vereinbarung zwischen dem Bundeskartellamt und mehreren ins Kreuzfeuer geratenen Gasversorgern.
Die Anbieter E.ON, RWE, MITGAS, SpreeGas, ENTEGA und ein Eigenbetrieb der Thüga AG verpflichteten sich, Privatkunden zum 1. April einen Anbieterwechsel zu ermöglichen. Im Gegenzug stellte das Bundeskartellamt die aufgrund drastischer Preisanhebungen eingeleiteten Missbrauchsverfahren gegen die Gasanbieter ein. Allerdings waren noch keine alternativen Gasanbieter aus den Startlöchern gekommen, so dass die – eigentlich für den 01.10.2006 geplante – vorgezogene Marktöffnung für Privatkunden zu Recht als „Aprilscherz“ bezeichnet wurde.
Die Zahl der alternativen Gasanbieter ist in der Zwischenzeit zwar gestiegen, aber im Vergleich zum Strommarkt immer noch sehr gering. Nach wie vor kann noch nicht von einem funktionierenden Wettbewerb auf dem Gasmarkt gesprochen werden. Der Hauptgrund dafür ist immer noch der Netzzugang. Derzeit gibt es in Deutschland zwölf Regel- oder Netzzonen, mit deren Betreibern bundesweite Gasanbieter jeweils separate Verträge abschließen müssen. Ungeklärt ist auch noch der Zugang zu den wichtigen Gasspeichern.
Wie beim Strom kam es beim Gas für Privatkunden in den letzten zehn Jahren zu einer Explosion der Verbrauchspreise. Die Bezugskosten für private Verbraucher sind in diesem Zeitraum um 99,6 Prozent gestiegen.
Die Gasversorger berufen sich bei den jährlichen Preiserhöhungen stets auf international gestiegene Beschaffungspreise und die so genannte Ölpreisbindung, nach der sich die Kosten für Erdgas an den Rohölpreisen orientieren. Die Ölpreisbindung ist kein Gesetz oder ein internationales politisches Abkommen, sondern eine brancheninterne Vereinbarung zwischen Gasproduzenten, -importeuren und -versorgern. Internationale Gashändler wie beispielsweise Gazprom halten an dieser Preisformel fest, auch wenn die ursprünglichen Gründe für deren Schaffung – die Verhinderung einer Konkurrenzsituation zwischen den Rohstoffen Öl und Erdgas – nicht mehr gegeben sind.
Was die Gasversorger gerne verschweigen, ist die Tatsache, dass in der langen Handelskette von den Erdgasproduzenten zu den Endverbrauchern eine ganze Reihe von verschiedenen Preisformeln zum Zuge kommen, die nicht immer an die internationalen Rohölpreise gebunden sind. Die Unterschiede dieser Formeln wurden vor allem in der Heizperiode 2004/2005 deutlich. Während sich die Importpreise für Erdgas nur geringfügig verteuert hatten, erhöhten sich die Endverbraucherpreise in weitaus höherem Maße. Durch diese Konstellation entstanden hohe Gewinne bei den Erdgasgroßhändlern, die nicht zu rechtfertigen waren und entsprechend scharf von Politik, Medien und Verbraucherverbänden kritisiert wurden.
Gleichzeitig begannen Verbraucher, teilweise mit Unterstützung der Verbraucherzentralen, die Gaspreiserhöhungen der lokalen Versorger in Frage zu stellen und diese nur unter Vorbehalt oder überhaupt nicht zu bezahlen. Die „Gaspreisrebellen“ kämpfen sich seither durch die verschiedenen juristischen Instanzen.
Die hierzu vom Bundesgerichtshof (BGH) am 13.06.2007 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 36/06 verkündete Entscheidung löste sowohl unter Verbraucherschützern als auch unter Energierechtsexperten große Verwunderung aus. Einerseits bestätigte der BGH erneut, dass Verbraucher sich gegen einseitige Gaspreiserhöhungen zur Wehr setzen können. Andererseits entschied der Senat jedoch, dass eine Tariferhöhung, bei der lediglich gestiegene Bezugskosten des örtlichen Gasversorgers an die Gaskunden weitergegeben werden, grundsätzlich der Billigkeit entspreche. Die Rechtslage ist also keineswegs eindeutig.
Die Zahl der alternativen Gasanbieter ist in der Zwischenzeit zwar gestiegen, aber im Vergleich zum Strommarkt immer noch sehr gering. Nach wie vor kann noch nicht von einem funktionierenden Wettbewerb auf dem Gasmarkt gesprochen werden. Der Hauptgrund dafür ist immer noch der Netzzugang. Derzeit gibt es in Deutschland zwölf Regel- oder Netzzonen, mit deren Betreibern bundesweite Gasanbieter jeweils separate Verträge abschließen müssen. Ungeklärt ist auch noch der Zugang zu den wichtigen Gasspeichern.
Eine von Verivox durchgeführte Erhebung ergab, dass in 59 Prozent der 7378 untersuchten Postleitzahlengebiete nur ein einziger externer Gasanbieter neben dem Grundversorger verfügbar ist. Zwei externe Lieferanten bieten in 21 Prozent der Gebiete eigene Tarife an. Eine echte Auswahl mit etwa neun verschiedenen verfügbaren Anbietern gibt es nur in 4,9 Prozent der Liefergebiete, die Maximalzahl von elf alternativen Gasanbietern wird lediglich in einigen wenigen Postleitzahlengebieten in Hamburg erreicht.
Der hohe Anteil der Gebiete mit einem einzigen alternativen Versorger erklärt sich daraus, dass es derzeit nur einen überregionalen Gasanbieter mit nahezu bundesweiter Verfügbarkeit gibt – die E.ON-Tochter E WIE EINFACH. Daneben haben jedoch im Laufe des vergangenen Jahres eine ganze Reihe von Gasversorgern wie Nuon, Mitgas, LichtBlick, Klickgas, die Stadtwerke Wedel oder die Stadtwerke Barmstedt ihre Liefergebiete ausgeweitet.
Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend weiter verstärkt. Denn eine größere Zahl von überregionalen Anbietern ist der einzige Weg zu einem schärferen Wettbewerb und günstigeren Konditionen für die Verbraucher.